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Nico Schröder ist seit September 2016 in Südafrika und hat uns bereits vier Berichte zukommen lassen. Unser Sponsor Sport-Shop-Hiller, unterstützt Nico bei seinem Abenteuer. Im Gegenzug erhält er in regelmäßigen Abständen Statusberichte von Nico. Freundlicherweise stellte uns Marcel Hiller den Bericht zur Verfügung, den wir hier gern veröffentlichen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

Es sind jetzt schon bald sieben Monate rum. Ich werde diesmal auf ein wichtiges Merkmal von der Kultur der Xhosa eingehen und euch von meinem Leben im Eastern Cape berichten. Ich hoffe euch gefällt’s.

Zeremonie in den Rural Areas

Im Dezember hat uns Mr. Mama für ein paar Tage mit nach Khayalethu, seinem Geburtsort, genommen. Khayalethu liegt in der Nähe von Alice und ist eine sogenannte rural Area (ländliches Gebiet). Kurze Info: Im Eastern Cape gibt es viele solcher rural Areas und nur recht wenige Städte. Die meisten dieser ländlichen Gebiete liegen etwas höher gelegen und erinnern mich an kleine Dörfer. Viele Bewohner in den rural Areas haben eine kleine Farm mit ein paar Schafen, Ziegen, Hühnern oder Kühen und einem kleinen Garten. Alles ist sehr weitläufig, friedlich und ruhig und viele Häuser sind aus Lehm gemacht. Es ist ziemlich unüblich, dass ein Mlungu (weißer Mann) in eine der ländlichen Gebiete kommt. Die Leute dort sind teilweise noch sehr geprägt und geschädigt von der Apartheid. Viele von ihnen wurden damals auf den Bauernhöfen der weißen Farmer misshandelt und sogar vergewaltigt. Sie haben verständlicherweise immer noch Angst vor weißen Leuten. Als wir beispielsweise in einem Haus von Mr. Mamas Familie waren, kam eine Frau aus der Küche und hat sich fast zu Tode erschrocken, als sie uns sah. Trotzdem waren viele Leute sehr einladend und offen gegenüber uns.

Eine Zeremonie bei der ein Junge zum Mann wird

Ein Junge kann sich irgendwann (meistens so im Alter von 17- 21) entscheiden, dass er jetzt bereit ist ein Mann zu werden. Im Dezember/Januar wird er in den „Busch“ gebracht um sich dort von einem Heiler seine Vorhaut abschneiden zu lassen. Der „Busch“ ist meistens ein abgelegener Platz in den riesigen Feldern des Eastern Capes. Sie leben dort in einer Hütte, bestehend aus ein paar Stöckern und einer Plane. Während der Beschneidung darf der Junge keinen Schmerz zeigen. Sobald die Wunde mit einem Blatt und einem traditionellen Verband verbunden ist, gilt der Junge als „Umkwetha“ (Anwärter). Dort müssen die Jungen verbleiben bis alles wieder abgeheilt ist, was ca. 3-4 Wochen dauert. Dann gehen sie, umhüllt mit einer Decke, mit einem Stock vor ihrem Kopf und umringt von zahlreichen Männern, zurück in ihre Dörfer, wo dann die abschließende Zeremonie stattfindet. Wir hatten das Privileg, dabei zu sein und sogar mal ein Blick auf die Jungs im „Busch“ zu werfen, während wir Holz für das Feuer geholt haben. Das ist eine ziemlich große Sache und ich glaube eigentlich gar nicht erlaubt.

Die abschließende Zeremonie läuft so ab: Der „neue Mann“ wird von den ganzen Männern zurück ins Familienhaus geführt. Während der gesamten Zeremonie, eigentlich sogar während des gesamten Tages, jodeln die Frauen. Vor allem aber wenn der „neue Mann“ auf das Familiengrundstück geführt wird. Die Frauen bereiten dann das Essen zu und die Männer versammeln sich in einem Kreis. Wir durften auch mit in diesen Kreis. Der „neue Mann“ sitzt im Kreis neben seinem Vater. Dann steht immer jemand auf und gibt ihm Ratschläge für sein weiteres Leben. Ich weiß leider nicht ganz genau, was dort gesagt wird (ist ja logischerweise auf Xhosa). Wenn alle dann fertig sind wird Mqhombhoti (traditionelles Bier) und Whisky getrunken. Zu Essen gibt es dann Schafsinnereien mit traditionellem Brot. Nicht unbedingt mein Lieblingsessen, vor allem weil es unglaublich warm war in der Mittagshitze. Die Hitze, der Whisky und das Mqhombhoti haben dann dazu geführt, dass ich, nach kurzer Zeit, ehrlich gesagt n bisschen voll war. Danach wurde noch viel getanzt, gesungen und getrunken. War echt cool sowas mal zu sehen und ich bin auch sehr dankbar, dass wir auch so mit einbezogen wurden. Dieser Tag ist der wichtigste in dem Leben eines männlichen Xhosas.

Was ist wenn Man(n) es nicht schafft?

Das ist, soweit ich weiß, eine Katastrophe. Es kommt hin und wieder mal vor, dass es einer der Jungs nicht schafft. Beispielsweise aufgrund von Wundinfektionen oder allgemein einer gescheiterten Beschneidung, die teilweise auch in verfaulten Penissen oder Amputationen endet. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass für die Gescheiterten danach ein Leben der Isolation beginnt. Wenn ein Mann hier einen Jungen ruft, dann hat dieser herzukommen, das ist Pflicht, egal wie weit er weg ist. Wenn ein Mann einem Jungen Geld gibt und ihm sagt, dass er etwas für ihn im Shop kaufen muss, dann hat er das zu machen. Wenn ein Schaaf geschlachtet wird kriegen die Männer die guten Sachen. Mit einem „Boy“ wird nicht über Sex oder Ehe geredet, er darf nicht richtig an Veranstaltungen wie Hochzeiten, Geburtstagen usw. teilnehmen. Wenn man(n) es nun nicht schafft im Busch zu bleiben bis alles verheilt ist, dann wird er von der Gesellschaft sozusagen ausgestoßen. Er ist für sein Leben lang ein Junge und wird auch so behandelt. Ich bin mir nicht sicher, aber eine zweite Chance gibt es glaub ich nicht. Letzens habe ich auch ein Buch überflogen, welches sich genau darum drehte. Dort drin steht, dass der einzige Ausweg, für viele dieser „gescheiterten Männer“ (so werden diese hier genannt), der Suizid ist.

Bitte bedenkt, dass all diese Informationen subjektive Beobachtungen meinerseits sind. Sie stammen aus Konversationen mit Freunden oder aus meinen Erfahrungen von einer einzigen Zeremonie, bei welcher ich teilgenommen habe. Vor allem beim Vergleich meines Wissens mit dem Internet fällt auf, dass sich doch ein paar Sachen unterscheiden. Vielleicht gibt es einfach auch Unterschiede innerhalb der Dörfer oder Familien oder Provinzen. Bitte behaltet das im Hinterkopf, sobald ihr einen Bericht über solche Sachen im Internet lest. Danke!

Arbeit im Eastern Cape

In dem letzten Monatsbericht habe ich ja schon ziemlich ausführlich über die Arbeit hier im Eastern Cape berichtet, deswegen kann es sein, dass ich mich gleich in einigen Punkten wiederhole. Die Arbeit hier im Eastern Cape ist für mich auf jeden Fall spannender als in Kapstadt. Vormittags, von 8 Uhr bis ca. 12 Uhr arbeite ich an der Zameka Junior Secondary School. Das ist eine relativ kleine Schule mit 5-6 Klassenräumen und ca. 8 Lehrern. Die Klassen 8, 9 und 10 sind dort vertreten. Bisher habe ich dort Englisch, bzw. Poesie, unterrichtet und jetzt in der letzten Woche habe ich auch angefangen ein bisschen Musikstunden zu geben. Meistens habe ich aber höchstens 2-3 Schulstunden pro Tag. Deswegen besteht auch ein Teil unserer Arbeit aus Büroaufgaben, wie beispielsweise Abtippen, Kopieren, Stempeln, Sortieren usw. Außerdem beaufsichtigen wir Klassen, während diese Arbeiten schreiben und vor ein paar Wochen haben wir mal alle rumliegenden Bücher geordnet und eine Art Bücherei erstellt.

Es gibt auf die Finger

Eigentlich macht es Spaß zu unterrichten, trotzdem ist es manchmal eine echte Herausforderung, die Schüler ruhig zu halten. Diese haben nämlich irgendwann gemerkt, dass es von mir nix auf die Finger gibt, wenn sie laut sind und den Unterricht stören. Die anderen Lehrer schlagen alle, falls einer der Schüler stört. Ich habe mich dran gewöhnt und finde es auch eigentlich gar nicht so schlimm. Die Schüler halten ihre Hand hin und dann gibt es ein oder zwei Schläge mit einem Schlauchende oder einem Stock. Tut kurz weh und dann war es das. Ich weiß, dass das in Deutschland mittlerweile ein No-Go ist und viele Leute sagen, dass es schädlich für die Kinder ist. Ich, als Freiwilliger, habe eigentlich kein Recht das in irgendeiner Form zu beurteilen, auch weil ich selber in der Schule nicht geschlagen wurde und weil ich kein psychologisches Wissen darüber besitze. Allerdings finde ich es wichtig, sich eine persönliche Meinung über solche Sachen zu bilden. Ich habe damit kein großes Problem, dass die anderen Lehrer schlagen und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens habe ich mit den Leuten hier darüber geredet und für die ist es einfach normal und kein großes Thema, letzteres gilt auch für meine Großeltern, welche auch in der Schule geschlagen wurden. Zweitens frage ich mich was wirklich psychisch belastbarer ist: Ein Schlag auf die Hand zu bekommen oder von jemanden mehrere Minuten lang angeschrien zu werden, wie sehr man doch nervt, stört und dass man gefälligst den Raum zu verlassen hat. Natürlich, sobald jemand grundlos schlägt und seine Macht sozusagen ausnutzt, habe ich damit auch ein Problem. Das ist aber wie immer meine subjektive Meinung und ich habe mich auch nicht in irgendeiner Form dazu wissenschaftlich schlau gemacht.

Ich werde niemals einen Schüler oder eine Schülerin physisch bestrafen, dennoch hilft mir meine Einstellung demgegenüber, denn auf dem Zwischenseminar habe ich auch gemerkt, dass ein paar andere Freiwillige, welche in Kindergärten oder Schulen arbeiten, damit ein großes Problem haben und am liebsten jedes Mal dazwischen gehen würden oder so eine Situation am liebsten gar nicht mit ansehen wollen. Das stresst natürlich sehr und war auch ein großes Thema auf dem Seminar. Das einzige Problem was aber bleibt ist der manchmal fehlende Respekt der Schüler gegenüber mir. Das versuche ich mit anderen Methoden dann irgendwie auszugleichen, beispielsweise habe ich einen der störenden Schüler einen Vortrag halten lassen, oder ich setze Schüler in die erste Reihe, schicke sie raus, arbeite mit Belohnungen usw. oder wenn es gar nicht mehr geht hole ich einen anderen Lehrer oder Lehrerin. Klappt relativ gut. So genug zu dem heiklen Thema.




Das Youth Care Centre

Der andere Großteil meiner Arbeit ist im Youth Care Centre, welches kurz gesagt ein Gefängnis für Jugendliche ist, vom Prinzip her vergleichbar mit der deutschen JVA, nur größer. Das Youth Care Center ist sehr gut ausgerüstet; es gibt einen Tennisplatz, Fußballplatz, Billiardtisch, ein Schwimmbecken, eine Tischtennisplatte und ein Fitnessstudio. Das Center ist eine riesige Anlage und ein wahnsinnig teures Projekt, welches vor ein paar Jahren aufgestellt wurde. Die Jugendlichen, welche dort leben, sind 17 bis ca. 24 Jahre alt (die Angaben im letzten Bericht waren leider falsch) und haben alles verbrochen was man sich so vorstellen kann. Von Diebstahl und diversen Einbrüchen bis zu Mord und Vergewaltigung ist alles dabei. Ich trainiere dort die Fußballmannschaft, so richtig mache ich aber kein Training, denn meistens spielen wir einfach Fußball, was mir es sehr erleichtert, mit ihnen zu kommunizieren und auf Augenhöhe zu sein. Das wäre als Trainer nicht so sehr möglich, wie es jetzt ist. Niklas ist auch immer beim Fußball dabei.

Außerdem gebe ich noch Montag und Freitag nachmittags Gitarrenstunden, was ganz gut ankommt. Manche von ihnen lernen unglaublich schnell und sind sehr intelligent und gewieft. Am Anfang haben sie mir einige schwierige, provokative Fragen gestellt, um zu testen ob ich Angst vor ihnen habe, schwach bin und ob ich die Arbeit gerne mache oder nur mache weil ich es muss. Natürlich fragen sie das nicht direkt, sondern sie stellen gezielt Fragen oder sagen bestimmte Sachen, um meine Reaktion zu testen. Gar nicht so leicht zu erklären, aber ich hoffe ihr wisst, wie ich das meine. Mittlerweile ist das aber ein gutes Verhältnis geworden und ich hab echt ziemlich coole, schlaue und talentierte Leute getroffen. Hoffentlich kommt hier nächstes Jahr auch eine Freiwilligengeneration hin, die auch im Youth Care Center arbeiten.

Leider hat das mit dem Fußballverein nicht so richtig geklappt, der existiert zwar noch aber mein Projektleiter hat gesagt, dass es besser wäre wenn ich an der Schule eine Fußballmannschaft starten würde. Das habe ich akzeptiert und vor ein paar Wochen ein Schulteam zusammengestellt. Das wird glaub ich ganz cool. Mein Mitfreiwilliger Niklas hat außerdem ein Basketballteam an einer anderen Schule gegründet, dort bringt er den Schülern erst einmal die Basics von Basketball bei.

Freizeit im Eastern Cape

Sonderlich viel machen wir immer noch nicht in unserer Freizeit. Manchmal treffen wir uns mit Freunden, aber auch nicht oft. Es gibt nicht viel was man hier machen kann. Ein paar Kontakte haben wir aber geknüpft und ich habe auch ein gutes Gefühl, dass das in den nächsten Monaten besser wird.

Sonstiges

Englisch wird hier nicht so gut gesprochen, wie in Cape Town. Das hat aber zur Folge, dass sich mein Xhosa verbessert. ISiXhosa ist eine der 11 offiziellen Landessprachen und ist eine Sprache mit Klicklauten. „Q“ ist beispielsweise ein Schnalzen, was sich so anhört wie das Öffnen einer Weinflasche, „C“ ist wie ein Schmatzen und „X“… tja, das kann ich nicht erklären. Als nicht Muttersprachler sind diese Klicklaute sehr schwer nachvollziehbar und recht schwierig sie mit Konsonanten oder Vokalen fließend zu verbinden. Das kommt aber mit der Zeit und mittlerweile kann ich es einigermaßen. Ich kann zwar nicht viel, aber ein paar Sachen kann ich sagen und verstehen. Die Leute sind meistens angenehm überrascht wenn ich etwas auf Xhosa sage.

Zuletzt war ich wieder in Cape Town, denn meine und Niklas Eltern waren zu Besuch. Wir haben ihnen das Township und unsere engsten Freunde vorgestellt. Das war auf jeden Fall sehr wichtig für mich, dass meine Eltern mein Leben hier auch mal kennengelernt haben. Jetzt haben wir erst einmal bis zum 18. April Urlaub. Wir werden wohl nach Johannesburg und nach Durban fahren, um dort andere Freiwillige zu besuchen, welche wir auf dem Zwischenseminar kennengelernt haben. Danach werden wir die letzten anderthalb Monate voraussichtlich in Lwandle, Cape Town, verbringen.

So das war’s auch schon wieder von mir. Bilder werden etwas später nachgeschickt.


Über Nico Schröder:

Nico Schröder (18 Jahre), Sohn von RSV-Urgestein Uwe „Usche“ Schröder, großes Fußballertalent aus Rehburg, derzeitiger Spieler des Landesligisten SV BE Steimbke und hat gerade sein Abitur erfolgreich beendet. Ab September 2016 reist er für ein Jahr nach Südafrika um dort ehrenamtlich einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst zu absolvieren. Er hofft auf neue Erfahrungen und möchte auch dort neue Freunde gewinnen. Auf unserer Homepage berichtet er in regelmäßigen Abständen vom „schwarzen Kontinent“.

Das Projekt:

Silukamva – School of Excellence und Sinebongo bilden einen Verein, der 2009 gegründet wurde. Das Projekt befindet sich in einem Township namens Lwandle, südöstlich von Kapstadt in der Nähe der Küste. Kinder und Jugendliche im Alter von 6- 17 Jahren aus benachteiligten Milieus können dort nach der Schule an diversen Aktivitäten teilnehmen, wie z.B.: Tanz-, Schauspiel,- Musik-, Schreib- und Sportstunden, Nachhilfeunterricht oder auch Beratungen bei unterschiedlichen Problemlagen und Auseinandersetzungen mit Themen wie Drogenmissbrauch, Gewalt, Sexualität, Schwangerschaft und Aids.

Ziel des Projekts ist es, kindern und Jugendlichen aus dem Township bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven zu unterstützen und einen besseren Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Nico arbeitet im Rahmen seines Projekts hauptsächlich an den o.g. Angeboten mit. Außerdem zählen zu seinem Aufgabenbereich noch die Organisation von diversen Events, Instandhaltung der Schule und des Gartens und die Mitarbeit im Bereich Fundraising (z.B. Briefe an Sponsoren erstellen).

Author Martin

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